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Wir sind alle Marathonläufer

Über den langen Atem und die verdiente Medaille.

Wenn meine Tochter jeden Tag ihre Medaillen ausmalte, nachdem sie einen Lockdown-Unterrichtstag wunderbar absolviert hatte, dann dachte ich oft: Das haben wir wohl alle verdient. Jeden Tag ein Fleißsternchen, eine Medaille, einen Orden oder was auch immer für die geschaffte Etappe und sowieso fürs gesamte Rennen.

Denn wie lautet die andere schöne Floskel, neben dem, dass Kinder nun wirklich keine Treiber…, mein anderer Favorit: Corona ist ein Marathon, kein Sprint. Lustigerweise hörten wir diesen Spruch in einem etwas anderen Zusammenhang auf der Kinderstation, kurz nachdem unser erster Sohn geboren wurde: Sammeln Sie Ihre Kraft, denn Elternsein ist ein Marathon, kein Sprint, hieß es da. Hat ja irgendwie in dieser Situation beides viel gemeinsam, also auch hier ein passendes Motto, das von der Politik nur allzu gerne aufgegriffen wurde. Wir befinden uns also gerade in einem Marathon und keinem Sprint. Aha.

Hätten wir das im Vorfeld gewusst, hätten wir vielleicht unsere Kondition über einen längeren Zeitraum hin trainiert, hätten gesellige Abende, Reisen und Restaurantbesuche noch und nöcher unternommen, aber die Zeit der Vorbereitung war kurz. Also, Marathon aus dem Stand. Und wie ich von meinem Mann, der dieses Unterfangen nun zweimal auf sich genommen hat weiß, schmerzt es besonders um den Kilometer 30. Kann man auch im Corona-Marathon gut nachvollziehen. Wir sind alle etwas müde. Der heilige Enthusiasmus des Anfangs ist verflogen, die Strecke mittlerweile bekannt und das Ziel noch ein wenig hin. Außerdem sind die Beine, Knie, Gelenke etc. zu merken. Es schmerzt ein wenig, aber das Ziel ist vor Augen. Eine wirklich lupenreine Metapher mit sportlicher Anfeuerung. Brauchen wir das? Wahrscheinlich nicht. Denn aufgeben ist sowieso keine Alternative, wie wir aber auch schon seit unserem „Eltern-Marathon“ wissen. Also meistern wir Tag für Tag aufs Neue unsere Etappe und stolpern gelegentlich über lustige oder sogar schreiend komische Ereignisse. Und das sind die Momente, die uns viel Luft geben für die nächste Etappe und das Wissen, dass irgendwann Kilometer 42,6 erreicht sind wird und mit ihm Orden, Urkunde und Ruhm und Ehre.

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