top of page
  • barbara

Oma hinter Glas

Über Kontaktverzicht und skurrile Besuche.


Mit Corona kam der Kontaktverzicht. Es fehlte fortan der Kontakt zu Klopapier, der Kontakt zum Büro und natürlich der Kontakt zu allen lieben Mitmenschen. Kontakt ab sofort ausdrücklich unerwünscht und sogar verboten. Das merkten wir recht schnell nach Inkrafttreten dieser Regel, als wir meinen Bruder mit seiner Freundin zufällig trafen, mit Abstand nett quatschten und sich dann nach ca. 5 min herausstellte, dass sich hier ja mehr als eine weitere Person zum Haushalt gesellte. Sehr coronakonform beschlich uns sofort das Gefühl, kleine Sünder zu sein und unsere Wege trennten sich umgehend.

Auch zu den Großeltern hieß es ab sofort Abstand halten, da Kinder und ältere Personen offenkundig die brisanteste Mischung ergäben. Nun gut, da wollen wir ja nun wirklich kein Risiko eingehen. Also auch an der Stelle ein klarer Schnitt. Nun wäre es gelogen, wenn wir zuvor ein Sozialleben gehabt hätten, bei dem sich kulturelle Highlights und illustre Runden täglich die Klinke in die Hand geben. Jeder mit einer Mehrzahl an kleinen Kindern weiß hier Bescheid, aber zumindest hatten wir etwas, das sich Sozialleben nennen durfte. Das wandelte sich jetzt quasi zu einem A-Sozialleben. Peinlich genau waren wir ab sofort damit beschäftigt, uns mit keinem zu treffen und unser A-Sozialleben aufrecht zu erhalten. An Stelle des Soziallebens trat unter anderem der Netflix-Account. Auch schön, mal schauen, ob wir auch wieder einen zurück Weg ins Sozialleben finden, nachdem wir uns mit Abenden auf dem Sofa und ohne Kontakte akklimatisiert haben. Vielleicht gewöhnt man sich ja auch daran und zieht in Post-Pandemie-Zeiten ein einsames Leben wie Diogenes in der Tonne, quasi nur als Kernfamilie mit Netflix vor? Erste Anzeichen dieses Sinneswandels mehren sich, stutzt man doch schon, erblickt man im Film oder in der Serie einen Haufen zusammen stehender Menschen. Mein Gott, was für ein potentielles Superspreading Event geistert es einem da bei Dirty Dancings Schlussvorstellung oder Pretty Womans Polospiel durch den Kopf.

Die Großeltern also, von denen es bei uns zwei Omas und einen Opa gibt, allesamt agil und fit, aber de facto Großeltern sollten fortan also den besonderen Schutz des Kinder-Nicht-Treffens erfahren. Das ist insbesondere im Fall meiner Schwiegermutter, die wir ansonsten wöchentlich gesehen haben, ein klarer Schnitt gewesen. Die Langeweile ihrerseits gipfelte produktiv in Videokonferenzen mit uns und ihren Freunden, aber auch darin, dass sie mir irgendwann am Telefon mal das aktuelle Strickmuster erläuterte. Hier müssen sich Dinge ändern, beschlossen wir darauf hin und unternahmen ab sofort Besuchsfahrten zur Oma. Quasi Oma to Go, besucht im Auto mit herunter gelassenen Scheiben und reichlich Abstand. So feierten wir übrigens auch Ostern. Die Körbchen wurden am langen Arm hereingereicht und wir unterhielten uns sehr lautstark durch die halb herunter gelassenen Fensterscheiben. Aber auch nicht zu laut, denn bekannterweise erzeugte das ja noch mehr böse Aerosole. Die Spritz- ohne Spreadingtouren endeten dann allmählich, als Zahlen und Motivation hinuntergingen und wir im Frühsommer erst Fahrradtouren und dann auch wirkliche Treffen wieder in Angriff nahmen. Und dabei blieben.

10 Ansichten1 Kommentar

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Das böse L-Wort

Beitrag: Blog2_Post
bottom of page