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  • barbara

Ich bin doppelt

Aktualisiert: 20. Mai 2021

Über Videokonferenzen und die Frage, ob man sich wirklich selbst im Bild haben muss.

Die Welt des digitalen Lernens startete für uns so richtig im zweiten Lockdown, ab Mitte Dezember. Hatten digitale Treffen zumindest auf Kinderebene vorher eher einen Seltenheitswert und bestanden in unruhigen 5 Minuten, in denen wahlweise Oma, Opa, Onkel und Tante oder wer auch immer kurz begrüßt wurde, so tauchten wir nun ein in das digitale Klassenzimmer, beziehungsweise zwei wöchentliche Videokonferenzen pro Kind. Zum Glück hatten wir Erwachsenen vorher ein halbes Jahr Erfahrungsvorsprung gesammelt, so dass wir das Meeting sowohl starten als uns auch mit Bild und Ton versehen konnten. Die Aufregung in den anfänglichen Videokonferenzen war demnach auch immer: klappt tatsächlich alles? War das Kind erstmal digital im Klassenzimmer gelandet, hieß es für einen selbst: Durchschnaufen, hier lehrt gerade jemand anders.

Herausforderungen bedeuteten die Tage, an denen beide Schulkinder hintereinander in die Videokonferenzen gingen. Bei uns war es der Dienstag. Kind 1 startete um 9h, Kind 2 um 9.15h. Heißt: Kind 1 in das Zimmer, das kein Durchgangszimmer ist, um ungestört konferieren zu können, Kind 2 zeitversetzt im zweiten Kinderzimmer aktivieren und lauschen, dass alles läuft.

Digitale Unterrichtsstunde, wie formulierte es eine befreundete Mutter von 3 Kindern an der weiterführenden Schule so schön: Sie habe das Gefühl, dass irgendein Lehrer vormittags ständig durch ihr Haus wabert. Und auch wir fühlten uns zwischenzeitlich fast besucht von den Lehrerinnen, die plötzlich ganz interaktiv am Bildschirm auftauchten.

Wer übrigens bestenfalls nicht im Bild auftauchte, waren die wissbegierigen Geschwister. Ich erinnere mich an eine der ersten Videokonferenzen meines Sohnes, als ich im Büro weilte und mein Mann zuhause die Lage der Nation steuerte und im Zuge dessen die Deutsch-Videokonferenz einrichtete. Um nicht ständig zuhause nachfragen zu müssen, ob denn auch alles geklappt habe, adressierte ich diese Frage mal intern in die Mutti-Gruppe. Keine Antwort war das Ergebnis. Merkwürdig, dachte ich noch, als ich dann schließlich doch eine Rückmeldung bekam. Allerdings nicht von den befreundeten Müttern als vielmehr von der Lehrerin, die darauf hinwies, dass es gerade für unseren Ältesten so wichtig sei, sich zu konzentrieren und die Polonaise tanzenden Geschwister im Hintergrund dafür eher abträglich wären. Aha, dachte ich noch und hörte zuhause einmal nach. Des Rätsels Lösung: während mein Mann am Ton rumfummelte, der zwischendurch irgendwie abhandengekommen war, nutzten die Geschwister das vorhandene Bild um sich in Szene zu setzen. Wann zuletzt hat man schließlich in Corona-Zeiten ein solches Publikum gehabt? Nach rund einer Minute, für meinen Mann gefühlt mindestens 5 war aber der Spuk vorbei, das richtige Kind vor der Konferenz und die restlichen mit Polonaise-Verbot und Schweigegelübde auf die anderen Zimmer verteilt worden. Aller Anfang ist schwer.

Die Vorbereitungen zu den Videokonferenzen folgten ansonsten bald einem Muster und starteten immer schon ein Weilchen vor dem Ranschaffen des mobilen Endgeräts. Denn waren wir während des Lockdowns bequemerweise komplett in Trainingshosen und Leggings gewandet und Haare und auch sonstiges weitestgehend im Ursprungszustand, hieß es an den Videokonferenz-Tagen: schnell mit der Bürste durchs Haar und gegebenenfalls auch mal einen ordentlichen Pulli anziehen. Daneben sich selbst so weit herrichten, das man – falls das Mikrofon mal wieder ausfällt, das W-Lan abbricht, das Kind auf irgendwelche Knöpfe gedrückt hat – in einem ansehnlichen Zustand ist, wenn man dann zur Behebung ungewollt im Bild auftaucht. Auf Toilette gehen in dieser Zeit, wenn das Kind einem möglicherweise mit dem iPad (und der gesamten Schulklasse) folgt – eher schwierig. Eine kluge Entscheidung traf auch irgendwann die Lehrerin meines Sohnes in den morgendlichen Grußbotschaften auf dem Padlet. Da selbst drei Kinder zuhause, ging der Stress auch optisch nicht an ihr vorbei, weswegen sie sich irgendwann dazu entschloß, statt der Bild-Ton Botschaft nur noch eine Tonbotschaft aufzunehmen und statt des Corona-Ist-Zustands ein Foto der Schulfotografin aus dem letzten Sommer einzustellen. Eine klevere Lösung, die ich an manchen Tagen, als ich mit Augenringen und ungeschminkt den Ton rettete, auch gut hätte gebrauchen können.

Mit der Zeit kam die Videokonferenz-Expertise der Kinder dazu. Zunächst lernten sie schnell und ganz stolz, sich selber einzuwählen und Bild und Ton einzurichten. Das war eine sinnvolle Geschichte, die die Selbständigkeit ungemein förderte. Dann entdeckten die Kinder noch viele andere lustige Features. Das waren mitunter weniger sinnvolle Geschichten. So erzählte eine befreundete Mutter: Gerade als die Lehrerin ein anderes Kind ermahnte, dass ständig Grimassen schnitt, entdeckte ihr Sohn einen Regenbogen-Filter, der ihn in ein Einhorn-Wunderland tauchte. Es kostete sie einige Schweißperlen, diesen Zustand schnellstmöglich zu beheben. Irgendwann entdeckte auch ein Kind der Klasse, dass es viel lustiger sei, die Lehrerin stumm zu schalten, anstatt als Schüler recht stumm dazusitzen. Kann man machen, trägt aber nicht zur gesamten guten Stimmung bei.

Insgesamt ging es in den Videokonferenzen recht lustig zu. Ich erinnere mich an eine Sachunterichtsstunde meiner Tochter, in der sie die Körperteile entdeckten und Ohren, Füße und Hände in die Kamera hielten, begleitet von der Lehrerin – ebenfalls mit vollem Körpereinsatz. Es war eine schöne Möglichkeit, sich in der Zeit der Abwesenheit einmal zu sehen. Was den Gehalt der einzelnen Unterrichtsstunden betraf, so glaube ich persönlich, dass meine Kinder mehr von den Erklärfilmen oder selbst gegebenen Erklärungen profitiert haben, da es in der Videokonferenz immer äußerst spannend war, wer welchen Hintergrund hat, gerade wie aussieht, was macht etc.

Spannend auf jeden Fall, dass bereits unsere Erstklässlerin nun Videokonferenz-Profi ist. Mal schauen, wie all die kleinen Videokonferenz-Experten das später mal in ihr eigenes Post-Corona-Berufsleben einbauen werden…

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