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Hockey mit Socken

Über überflüssige digitale Angebote

Richtig Vollgas gab unser Hockeyverein. Schon zu normalen Zeiten tummelte sich hier die überdurchschnittlich ambitionierte Elternschaft. Und während das Kind von A nach B gebracht wurde und man Kuchen um Kuchen nebst Spenden für die Mannschaft bereitstellte, anfeuerte und Präsenz zeigte, fragte man sich, ob es denn alles Einzelkinder wären, die da neben dem Sohn spielten. Denn vom digitalen Eintragen in das Trainingssystem über Team Wochenenden bis hin zu weiteren teamstärkenden Events war das Ganze nicht nur teamfördernd, sondern auch zeitintensiv. Aber meinem Sohn hat das Spielen immer viel Spaß gemacht, insofern waren wir gerne dabei. Als es nun dazu kam, dass sich die Präsenz auf dem Platz zumindest verringern musste, zeigte der Verein großes Engagement und richtete Einbahnstraßen, Abhol-, Bring- und Taschenablagezonen ein. Ein wunderbares Konstrukt, sehr pfiffig überlegt, in der Umsetzung von tobenden Achtjährigen gegebenenfalls noch ausbaufähig, aber der unbedingte Wille zum Sport ehrt. Man hätte ja meinen können, dass der Lockdown dann auch für den Hockeyverein den Winterschlaf bedeutet hätte, aber weit gefehlt. Zunächst wurde eilends zum digitalen Elternabend aufgerufen, um den Eltern zu erzählen, was man alles vorhabe. Und das war viel, denn fortan sollten digitale Hockeytrainings stattfinden. Schön und gut, dachte ich mit Blick in den Kalender, als ich sah, dass das erste digitale Training auf meinen langen Bürotag fallen sollte. Lass den Mann mal machen. Zur freien Wahl gestellt, entschied sich mein Mann dafür, es anzugehen. Nun ist es so, dass wir nicht zufällig ein Schloss bewohnen oder eine Hockeyhalle zur freien Verfügung, also musste das Wohnzimmer herhalten. Trainingsgegenstände, zwei Tage vorher angekündigt, sollten Klopapierrollen und Socken sein. Nun haben wir im Wohnzimmer auch diverse technische Endgeräte stehen, um die ich fürchtete, aber ich war ja in der Tat nicht da. Vielleicht dazu gesagt: Wir haben uns gemeinsam mit unserem Sohn für diese Sportart entschieden, weil wir Bewegung an der frischen Luft für gut, sinnvoll und notwendig halten. Übrigens beides zu gleichen Teilen: Bewegung und frische Luft. Das digitale Training wäre also gegebenenfalls etwas für die Quarantäne. Für uns im Außer-Quarantäne-Zustand sollte es keinen Erfolg darstellen. Drei Kinder mit drei hölzernen Hockeyschlägern in gefährlicher Nähe zu technischen Endgeräten, Vasen und liebgewonnenen Stehrümchen, das war sogar meinem Mann zu viel. Insofern quittierten wir das als einmaliges Erlebnis und freuten uns ab da auf die Wiederaufnahme der Feldsaison. Der Hockeyverein aber ließ nicht locker und versuchte es immer wieder, die Eltern und Kinder einzufangen. Digitale Koch-Events, digitale Vorträge, digitale Weihnachts- und Karnevalsfeier – wir ließen die Chancen verstreichen und bewegten uns stattdessen draußen. Mein Highlight übrigens: Der Vortrag für Eltern, die ihr Kind noch mehr fördern möchten. Leider habe ich hier nicht teilgenommen, sonst wüsste ich jetzt besser, wie ich Klopapierrollen und Socken optimal fördernd auslegen könne. Wir waren einfach ganz normal unterwegs.

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