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  • barbara

Das rollende System

Über Lockerungen im Lockdown und die große Frage: wer ist eigentlich gerade wo?

Die Schule öffnete im Frühsommer 2020 wieder und war ab sofort wieder Anlaufstation fürs Schulkind. An jedem vierten Tag. Auch der Kindergarten freute sich wieder über Präsenzzeiten, wenn auch 10h weniger als der Betreuungsvertrag es vorsah, genauso wie der Hockeyverein. Sehr ausgeklügelte System trafen aufeinander, um sich zu begegnen, ohne sich zu begegnen. So wurden in der Schule beispielsweise die Schulhöfe unterteilt, ebenso wie im Kindergarten der Kletterturm plötzlich allein für die Benutzung der Raupen, die Rutsche für die Igel und das Häuschen für die Eichhörnchen vorgesehen war. Echte kleine VIP-Clubs gründeten sich, die Mitglieder blieben ganz exklusiv unter sich.

Was in der Schule und im Kindergarten noch recht einfach getrennt werden konnte, funktionierte beim Hockey nicht ganz so einfach, da man ja durchaus in Bewegung war. Das Ziel Bewegung ohne Begegnung – mit siebenjährigen, sehr bewegungsfreudigen Jungs. Ein Feldversuch. Um da nichts dem Zufall zu überlassen wurde zunächst ein Online-Elternabend anberaumt. Punkt 1 der Tagesordnung: Erklärung des Ankomm-, Abhol- und Trainingskonzept für die Eltern. Punkt 2: Anleitung – wie erkläre ich es dem Kind? Was die Schule nicht geschafft hatte, war jetzt notwendig geworden, die Skizze musste her. Mangels Flipchart kam Lego zum Einsatz, um dem Hockeynachwuchs zuhause die Bringstation, die Taschen-Ablage-Zone, die Spielzonen, die Taschen-Aufnehm-Station und die Einbahnstraße zu verdeutlichen. Um im Ergebnis einen glücklich und ausgepowerten Hockeyspieler abzuholen, selbstverständlich in der korrekten Eltern-Abholzone, der aber einen Mundschutz unterm Kinn hängen hatte und seine Sachen an den verschiedenen Ablagestationen vergessen hatte. Trainingseffekt nach dem Training: die Einbahnstraße noch zwei- bis dreimal abzulaufen, um den Rest der Sachen einzusammeln.

Das Hockeytraining verteilte sich übrigens, aufgrund von Teilnehmerbegrenzung, auf verschiedene Wochentage. Jetzt waren wir nicht so ausgebucht, dass dies ein Problem sein sollte. Da aber mein Mann im Schichtdienst arbeitete und ich weitestgehend immer dann, wenn er gerade da war, hatten wir in dieser Zeit reichlich Bewegung im System. Praktisch jeder von uns rollte: mein Mann mit seinem rollierenden Dienstplan, mein Sohn in der Schule, ich fügte mich rollierend in die Lücken, um zu arbeiten und rollte an einigen Tagen auch ins Büro. Bei uns in der Küche hängt eine große Wandtafel, auf der wir die wöchentlichen Ereignisse festhalten. Normalerweise reiht sich dort relativ unaufgeregt das Turnen ans Hockey und die ein oder andere Verabredung. In diesen Wochen vor den Sommerferien jedoch waren die Tafel voll und die Tage aufregend, da alles rollte und jeden Tag spannende Sachen wie Schule, Hockey oder Büro passieren konnten. Zum Glück landete immer das richtige Kind im Kindergarten und wir rollten letztendlich fröhlich durch den Sommer. Eine verantwortungsvolle, aber doch fast normale Normalität erreichte uns im Spätsommer. Bis auf wenige Einschränkungen wie das Tragen der Maske und den sensationell beworbenen AHA-Effekt hatte man nach den Sommerferien fast das Gefühl, ohne Corona unterwegs zu sein. Bis die zweite Welle auch auf das rollierende System setzte.



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